Depressionen: Symptome, Ursachen und Therapie
Der nachfolgende Beitrag vermittelt einen einführenden und hoffentlich leicht verständlichen Überblick der Hauptsymptome, potenziellen Ursachen und insbesondere der wirksamen Behandlungs- und Therapieoptionen von Depressionen.
Depressionen, die so alt wie die Menschheit sind, können sehr belastend und quälend sein – aber auch ein Signal und eine Chance, entscheidende Dinge im Leben in eine befreiende und positive Richtung zu verändern. Eine tragfähige und vertrauensvolle therapeutische Beziehung ermöglicht Linderung des subjektiven Leidensdrucks und Wiedererlangung von Lebensqualität für Betroffene und deren Angehörige. Dabei bedeutet Therapie stets auch Arbeit, Reflektion und Auseinandersetzung mit dem Leben und sich selbst, vermittelt aber Perspektiven und stößt innere Prozesse an, die Wahrnehmung und Fokus wieder vermehrt auf das Positive richten können. Eine gelungene Therapie soll schrittweise mehr Gelassenheit, Autonomie und Lebensqualität schaffen und wird im fortschreitenden Therapieprozess so zunehmend zu einer stabilisierenden und befreienden Selbsttherapie.
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Kennzeichnung und Symptome von Depressionen
Depressionen oder affektive Störungen sind gekennzeichnet durch krankhafte Veränderung des Gemüts, d.h. der Emotionen, mit gedrückter, trauriger oder auch gereizter Stimmung. Dabei ist es mitunter schwierig, krankhafte (pathogene) Verstimmungen von normalen Stimmungsreaktionen zu unterscheiden – dazu bedarf es einer gründlichen klinisch-psychologischen Diagnostik. Wir alle kennen „depressive Verstimmungsphasen“ als normale und nicht behandlungsbedürftige Reaktionen auf belastende Lebensereignisse wie etwa dem Verlust eines geliebten Menschen (Trauer) oder auch des Arbeitsplatzes. Depressionen vorübergehender Natur können auch bei „Rollenwechseln“ wie etwa dem Übergang vom Studium in das fordernde Berufsleben oder von der erfüllten Arbeitstätigkeit zur Pensionierung auftreten.
Der Begriff Depression leitet sich vom dem Lateinischen „depressio“ ab, was Niederdrücken bedeutet. Die psychischen Leitsymptome einer Depression umfassen deutliche und andauernde Niedergeschlagenheit, Lust- und Antriebslosigkeit, empfundene Hilf- und Hoffnungslosigkeit und häufig auch ungerechtfertigte Schuldgefühle sowie emotionale Leere und insbesondere verringertes Selbstwertgefühl. Aktivitäten und zwischenmenschliche Begegnungen, die einmal Freude bereitet haben, machen nur noch selten Spaß und Menschen ziehen sich in depressiven Phasen oft von zwischenmenschlichen Kontakten und geselligen Aktivitäten zurück, wodurch die Depression noch an Intensivität gewinnt. Neben den psychischen Symptomen werden Depressionen häufig von körperlichen (somatischen oder vegetativen) Beschwerden begleitet wie insbesondere Magen- und Darmproblemen, Ein- und Durschlafschwierigkeiten, körperliche Unruhe und Libidoverlust. Mit lang anhaltender Depression tragen solche körperlichen Missempfindungen die Gefahr zunehmender Sensibilisierung und Chronifizierung in sich. Darüber hinaus treten in depressiven Phasen auch vermehrt kognitive Symptome auf wie Konzentrationsschwierigkeiten, Verminderung der Merkfähigkeit und vor allem auch langanhaltendes, sich im Kreis drehendes und letztlich unproduktives Grübeln (Rumination). Bei Depressionen kommt es sehr häufig zu negativen automatischen Gedanken und zu einer kognitiven Triade mit pessimistischer Einschätzung der eigenen Person, der Umwelt und der Zukunft.
Diese kurze Beleuchtung der depressiven Symptomatik veranschaulicht, dass Depressionen einen hohen Leidensdruck für Betroffene – und auch für deren Partner, Angehörige und emotional nahestehende Personen – mit sich bringen können.
Unterschieden wird zwischen der depressiven Episode und der rezidivierenden Depression, die durch wiederkehrende depressive Phasen mit zwischenzeitlicher Remission gekennzeichnet ist. Für beide Formen gibt es die Schweregrade leicht, mittel und schwer. Letztlich existiert eine lang anhaltende, d.h. chronische, aber in ihrer Symptomatik weniger intensive Art der Depression (Dysthymia). Die bipolare Störung mit Wechsel zwischen Phasen der Hochstimmung (Manie) und Depression wird hier nicht behandelt.
Die klinisch-psychologischen Diagnosekriterien einer Depression umfassen mindestens vier der folgenden zehn Symptome, von denen mindestens zwei der ersten drei Symptome gegeben sein müssen und die Symptome über einen Mindestzeitraum von zwei Wochen vorliegen müssen:
- Depressive Stimmung
- Deutlicher Verlust von Interesse oder Freude
- Schnelle Ermüdbarkeit und Energieverlust
- Verlust von Selbstvertrauen
- Unangemessene Schuldgefühle und Selbstvorwürfe
- Suizidgedanken und suizidales Verhalten
- Konzentrationsverminderung
- Veränderte psychomotorischen Aktivität (gehemmt-verlangsamt oder agitiert-unruhig)
- Schlafstörung (Ein- und/oder Durchschlafstörungen, morgendliches Früherwachen)
- Änderungen des Appetits (mit Gewichtsverlust oder auch Gewichtszunahme).
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Wann werden normale depressive Verstimmungen zu Depressionen?
Das Risiko, dass depressive Verstimmungen, die wir Alle hin wieder im Lichte akuter beruflicher oder privater Konflikte und/oder kritischer Lebensereignisse erfahren, chronisch werden und sich zu einer behandlungsbedürftigen Depression entwickeln steigt, wenn:
- die depressiven Episoden mit der Zeit in ihrer Intensität, Dauer und/oder Häufigkeit zunehmen,
- man einschneidende und belastende Lebensereignisse wie Arbeitsplatzverlust, Gewalt und Trennung oder Scheidung erfahren hat,
- man unfähig ist, die depressiven Phasen aus eigener Kraft zu überwinden und das ständige Gefühl von Überwältigung oder Überforderung verspürt,
- negative berufliche und soziale Konsequenzen resultieren, insbesondere durch verminderte Konzentrationsfähigkeit und Rückzugstendenzen,
- die momentanen Lebensumstände bzw. Lebensereignisse das Ausmaß der Depression (als „normale Reaktion“) nicht erklären können.
In diesem Fall sollten Sie unterstützende psychologisch-therapeutische Beratung und Behandlung in Betracht ziehen, deren Ansatz und Möglichkeiten im Abschnitt „Behandlung und Therapie von Depressionen“ dargestellt sind.
Anzumerken ist, dass die derzeitige Covid-19 Pandemie mit ihren inhärenten Unsicherheiten und gravierenden Einschränkungen der Sozialkontakte bei vielen Menschen (vorübergehende) depressive Symptome hervorrufen kann.
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Häufigkeit von Depressionen
Es besteht überzeugende empirische Evidenz, dass Depressionen in den letzten Jahrzehnten gestiegen sind und weiterhin zunehmen, was jedoch auch mit der höheren Sensibilisierung für psychische Belastungszustände zusammenhängt. Nach der Prognose der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahre 1996 werden Depressionen bis zum Jahr 2020 die zweithäufigste Krankheitsursache (nach den kardiovaskularen Erkrankungen) darstellen. Die vorsichtig, d.h. eher niedrig, geschätzte Lebenszeitprävalenz von Depression in Europa liegt zwischen 15 und 20%, d.h. dieser Prozentsatz, also jeder fünfte Mensch, erkrankt einmal im Leben an einer Depression. Somit stehen depressive Menschen ganz und gar nicht alleine dar, sind sich aber dessen häufig nicht bewusst und hier bedarf es noch einer besseren Aufklärung und Psychoedukation.
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Ursachen von Depressionen
Depressionen werden in aller Regel durch mehrere Faktoren ausgelöst und aufrechterhalten – in der Fachterminologie sprechen wir von multifaktorieller Ätiologie. Nachfolgend werden die wichtigsten biopsychosozialen Ursachenfaktoren kurz skizziert.
4.1. Biologische Ursachen von Depressionen
Zu den potenziellen biologischen Ursachen gehören neben einer genetischen Prädisposition oder Vulnerabilität insbesondere neurobiologische Faktoren im Sinne eines Ungleichgewichts von Botenstoff- oder Neurotransmittersystemen. Neurotransmitter wie Serotonin, Dopamin, Noradrenalin und Acetylcholin scheinen aus dem Gleichgewicht geraten zu sein – im Vergleich zu Gesunden weisen depressive Patienten häufig eine erniedrigte Verfügbarkeit vor allem von Serotonin und Noradrenalin im synaptischen Spalt zwischen zwei Neuronen auf. Die These der Dysbalance in Neurotransmittersystemen wird durch den generellen Wirkmechanismus der Antidepressiva gestützt: Insbesondere selektive-Serotonin-Wiederaufnahmehemmer haben sich als wirksam erwiesen und weisen ein günstigeres Nebenwirkungsprofil im Vergleich zu älteren trizyklischen Antidepressiva auf.
Wichtig erscheint, dass Depressionen – wie andere psychische Erkrankungen – bei vorliegender Vulnerabilität in aller Regel erst durch längeren und erhöhten Stress ausgelöst werden, was als Vulnerabilitäts-Stress-Modell bezeichnet wird. Nachfolgend werden wichtige psychosoziale Stressoren kurz beleuchtet.
4.2. Kritische Entwicklungsfaktoren und psychosoziale Ursachen von Depressionen
Ein kritischer Entwicklungsfaktor, der zur Entstehung einer Depression beitragen kann, basiert auf einer möglicherweise fehlgeleiteten Entwicklung in der Kindheit. Ein über-protektiver und ängstlich-fürsorglicher Erziehungsstil kann zu einer „erlernten Hilflosigkeit“ führen und die Autonomieentwicklung sowie die gesunde Stressbewältigung unterminieren.
Auch der frühe Verlust eines Elternteils, eine Bindungsstörung der Mutter-Kind-Beziehung oder geringes Selbstwertgefühl seit frühester Kindheit können zu einer überhöhten Vulnerabilität oder Verletzlichkeit gegenüber Enttäuschungen und zu niedriger Frustrationstoleranz führen. Letztlich können Depressionen aus unverarbeiteten Verlusterlebnisse bzw. Traumata (z.B. sexueller Missbrauch, Gewalt und Erlebnis von Katastrophen) resultieren bzw. bei erneuten Krisensituationen (z.B. Trennung vom geliebten Partner) den Ausbruch einer depressiven Episode fördern.
Im weitesten Sinne lassen sich der erhöhte Anpassungsdruck, überfordernder beruflicher Leistungsdruck und das Auseinanderbrechen von Sozialstrukturen, Entfremdungen im Lichte der Digitalisierung aber auch die Tendenz zur „Versingelung“ der Gesellschaft unter die psychosozialen Ursachenfaktoren von depressiven Episoden subsumieren.
Gerade von Arbeitnehmern in international tätigen Branchen (sog. Expats) wird heute häufig auch internationale Mobilität verlangt, was es für Einige schwierig macht, soziale Netzwerke, Freundschaften und oftmals sogar Partnerbeziehungen auf Dauer aufrechtzuerhalten. Verlässliche soziale Kontakte und Freundschaften sowie eine stabile Partnerschaft stellen jedoch gerade in Zeiten erhöhten Stresses oder gar in Krisensituationen einen wirksamen Schutz gegen Depressionen dar.
4.3. Psychische Ursachentheorien der Depressionen
Die Vielzahl möglicher (weiterer) psychischer Ursachenfaktoren von Depressionen soll etwas eingehender betrachtet werden, indem drei Theorien in ihren Grundzügen und mit kurzen Beispielen untermauert erklärt werden.
Die psychodynamische Theorie sieht die Depression als fehlgeschlagene Trauerarbeit aufgrund eines nach innen gekehrten negativen Affekts (z.B. lang anhaltende Wut und Hass) infolge des Verlusts eines Liebesobjekts, zu dem ein ambivalentes Verhältnis bestand. Es besteht häufig ein depressiver Grundkonflikt – insbesondere zwischen Nähewunsch und Autonomie sowie zwischen Trennungsangst und Enttäuschungswut –, der im Rahmen einer aufdeckenden Therapie verarbeitet und gelöst werden kann.
Die Depression stellt eine „regressive Bewegung“ dar, hat aber auch eine Schutzfunktion, die häufig übersehen wird. In einer Situation empfundener Hilflosigkeit angesichts scheinbar unlösbarer Konflikte, Angst oder auch Scham vermittelt die Bindung an eine schutz- und sicherheitsgewährende Instanz ein Gefühl von Sicherheit.
Die kognitive Theorie der dysfunktionalen Kognitionen und Schemata (Beck, 1970) sieht die Ursachen der Depression in verzerrten und dysfunktionalen kognitiven Prozessen. Nach Beck handelt es sich dabei um kognitive Verzerrungen, die aus dysfunktionalen Schemata resultieren und eine negativ-verzerrte Wahrnehmung der Realität bedingen. Die maladaptiven kognitiven Grundmuster umfassen negative und pessimistische Einstellungen depressiver Menschen zu sich selbst, zu ihrer Umwelt und ihrer Zukunft, was als „kognitive Triade“ bezeichnet wird.
Ungünstige frühkindliche Erfahrungen und Lernprozesse begünstigen den Erwerb solcher negativen Schemata und Überzeugungen und korrespondierende negative automatische Gedanken können in der weiteren Lebensgeschichte dann aktiviert werden, wenn Situationen eintreten, die der Entstehungssituation ähneln. Solch automatische Gedanken artikulieren sich insbesondere in verzerrten, unangemessenen und verallgemeinernden Fehlschlüssen. Ein Bespiel der Verallgemeinerung oder Generalisierung: Das (erstmalige) Nichtbestehen eines Faches in einem Studium führt zu der Befürchtung, dass man auch durch alle anderen Fächern durchfallen könnte.
Typische kognitive Fehler, d.h. systematische Denkfehler und Fehlschlüsse, die dann wiederum die negativen Schemata verstärken, sind beispielsweise:
- Voreilige Schlüsse: Obwohl gegebene Tatsachen dagegen sprechen, nimmt man negative Interpretationen und Schlussfolgerungen vor. Bespiel: „Ich habe keine Energie, mich zur Party aufzumachen und außerdem bin ich dort sowieso nicht willkommen“.
- Katastrophisieren: Man ist überzeugt, dass die eigene Entwicklung negativ verlaufen wird und hat keinen Zugang mehr zu der Wahrnehmung positiver Entwicklungen und Ereignisse. Beispiel: „Ich bin beim ersten Mal durch die Fahrprüfung gefallen und werde diese wohl niemals schaffen“.
- Verabsolutiertes dichotomes Denken: „Schwarz-Weiß-Sehen“, d.h. alle Erfahrungen werden in zwei sich gegenseitig ausschließende Kategorien eingeordnet (z.B. makellos versus mangelhaft, gut versus böse). Dazwischen liegende Nuancierungen werden kaum mehr wahrgenommen. Wenn eine depressive Klientin sich selbst beschreibt, wählt sie die negativen Klassifizierungen und wehrt häufig alles Positive ab.
Im Rahmen der kognitiven Verhaltenstherapie bekommen Patienten und Patientinnen mittels der kognitiven Umstrukturierung das Rüstzeug zum Überlernen der skizzierten negativen automatischen Gedanken und pessimistischen Schemata, was im Abschnitt „Behandlung und Therapie von Depressionen“ ein wenig beleuchtet wird.
Die Attributionstheorie oder Theorie des pessimistischen Attributionsstils sieht einen depressiven Attributionsstil als signifikanten Verursacher der Depression. Sie basiert auf den Annahmen der neu formulierten Theorie der erlernten Hilflosigkeit von Abramson, Seligman und Teasdale (1978).
Danach ist das phänomenologische Erleben von Hilflosigkeit bei negativen Ereignissen von der Attribution oder Attribuierung, d.h. Zuschreibung auf den drei Dimensionen Person (internal-external), Stabilität (stabil-instabil) und Globalität (global-spezifisch) abhängig. Das Muster des pessimistischen Attributionsstils wird durch die Tendenz charakterisiert, negative Ereignisse als internal, stabil und global zu interpretieren und zu erklären.
Beispiel: Ein attraktiver Mann, der von einer Frau als Partner abgelehnt wird, attribuiert dies zu seiner mangelnden Attraktivität (internal, d.h. in der eigen Person liegend), als stabil (überdauernd) und global (alle Frauen betreffend). In Folge seiner negativen Fehlattribuierungen sind auch seine zukünftigen Erfolgserwartungen gering, woraus Passivität und Rückzugstendenzen resultieren können.
Vereinfacht formuliert bedingen negative Attributionsstile und Fehlattribuierungen wiederum negative Effekte auf das Selbstwertgefühl und tragen somit das Risiko, Depressionen auszulösen und aufrechtzuerhalten (Seligman, 1992).
Verhaltensorientierte Theorien schreiben darüber hinaus auch geringen sozialen Fertigkeiten oder Skills in der Entstehung und Aufrechterhaltung von Depressionen eine wichtige Rolle zu.
Im Rahmen der kognitiven Therapie und der kognitiven Verhaltenstherapie bekommen Patienten und Patientinnen das Rüstzeug zur Identifikation und Realitätsprüfung negativer Fehlattribuierungen und nachfolgendem Überlernen der „erlernten Hilflosigkeit“, wie im folgenden Abschnitt „Behandlung und Therapie von Depressionen“ gezeigt wird.
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Behandlung und Therapie von Depressionen
Es existiert eine Reihe von evidenzbasierten und wirkungsvollen Behandlungsoptionen bei Depressionen. Nach anfänglicher diagnostischer Abklärung wird die geeignete multimodale Therapie abgeleitet und ein Behandlungsplan für die Patientin bzw. den Patienten erstellt. Dieser wird im Rahmen des Therapiefortschritts auf dessen Wirksamkeit überprüft und, wenn sinnvoll, auch modifiziert.
5.1. Biologische Therapieverfahren zur Behandlung von Depressionen
Die biologischen Behandlungsansätze fallen in den psychiatrischen Bereich und umfassen die Behandlung mit Psychopharmaka, insbesondere mit Antidepressiva. Zu nennen sind vor allem selektive Serotonin-/Noradrenalin Wiederaufnahmehemmer, die die Verfügbarkeit von Serotonin und/oder Noradrenalin im synaptischen Spalt verlängern und als relativ gut verträglich mit günstigem Nebenwirkungsprofil gelten.
Wenn ausgeprägte Schlafstörungen, Unruhe (Agitiertheit), akute Krisen oder Suizidalität gegeben sind, können zur kurzzeitigen (!) medikamentösen Intervention Benzodiazepine (Tranquilizer) indiziert sein – kurzzeitig deshalb, weil diese Medikamente ein großes Suchtpotenzial in sich tragen! Tranquilizer werden insbesondere zur kurzfristigen Behandlung bei akuter Angsterkrankung verordnet.
Von einer alleinigen Pharmakotherapie ist jedoch abzuraten – sie sollte stets durch psychologisch-therapeutische Behandlungen ergänzt werden.
Die Elektrokrampftherapie (EKT) sollte als generell wirksame – aber in ihren Wirkmechanismus bis heute unzureichend verstandene – Therapie nur bei äußerst schweren Depression eingesetzt werden.
Als absolut nebenwirkungsfreie „biologische Selbsttherapie“ kommt Sport in Betracht. Moderate Ausdauerbelastung führt zu einer – auch stimmungsaufhellenden – Ausschüttung von Endorphinen (selbst produzierten, körpereigenen Morphinen). Wenn Sie dann noch Sportarten mit Geselligkeit ausüben – wie Mannschaftssport, Tennis oder Tanzen – beinhaltet dies auch die Möglichkeit positiver sozialer Kontakte und stellt somit auch eine wichtige psychosoziale Maßnahme dar.
5.2. Psychosoziale Interventionen bei Depressionen
Psychosoziale Interventionen beinhalten die wichtige soziale Komponente, d.h. den zwischenmenschlichen Austausch mit der Möglichkeit, neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schließen. Bei jüngeren Menschen und Patientinnen und Patienten mittleren Alters haben sich Sport und Bewegung als sehr hilfreich erwiesen – bei älteren Patienten und Patientinnen sind Physiotherapie und Kuraufenthalte von Vorteil.
Da viele depressive Menschen häufig einen sozialen Rückzug an den Tag gelegt haben, ist die graduelle Wiederaufnahme sozialer Aktivitäten – auch unter Berücksichtigung der veränderten Belastbarkeit – anzuraten. Unter Umständen zeigt die Scheu vor zwischenmenschlichen Kontakten sogar Züge einer sozialen Phobie. In diesen Fällen, kann die wirksame Unterstützung und Motivation durch erfahrene Klinische- und Gesundheitspsychologen hilfreich sein.
5.3. Psychologische und psychotherapeutische Behandlungen von Depressionen
Es existiert eine Vielzahl von psychologischen und psychotherapeutischen Behandlungsansätzen. Auf die – bei bestimmten Depressionsformen durchaus sinnvollen – psychoanalytischen und psychodynamischen Therapieformen wird hier nicht näher eingegangen. Dargestellt werden nachfolgend die (achtsamkeitsbasierte) kognitive Verhaltenstherapie (KVT) und die interpersonelle Psychotherapie (IPT).
5.3.1. Kognitive Verhaltenstherapie zur effizienten Behandlung von Depressionen
Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) stellt eine sehr wirkungsvolle und belastungs-reduzierende Methode zur Behandlung von Depressionen dar. Wie jede Therapie ist auch die KVT „Hilfe zur Selbsthilfe“ – Patienten und Patientinnen lernen diese Behandlungstools mit fortschreitender Therapie selbstständig zur adaptiven kognitiven, emotionalen und verhaltensmäßigen Selbstregulation anzuwenden.
Basiskomponenten der KVT umfassen das Training sozialer und emotionaler Kompetenzen, die Schulung von Wahrnehmungen, Identifikation und Korrektur negativer Selbstbeurteilungen sowie insbesondere auch den Abbau der kognitiven Denkverzerrungen und Fehlattribuierungen. Darüber hinaus wird es Betroffenen durch die KVT aber auch ermöglicht, ihre Stärken und Ressourcen (wieder) zu sehen und „einzusetzen“ – in depressiven Phasen ist der Blick auf die Stärken und Ressourcen stark eingeengt. Wie bei allen psychischen Belastungszuständen kommt auch und gerade bei der Depression dem Training der emotionalen Kompetenzen große Bedeutung zu – dadurch wird die emotionale Selbstregulation stabilisiert und langfristig verbessert. Hinzu kommen noch wichtige Techniken zur Beendigung oder Reduzierung der verbreiteten Neigung zum Grübeln – wie der „Gedankenstopp“ oder „Grübelstuhl“. Letztlich ist auch die graduelle Steigerung von Aktivitäten und sozialen Kontakten, die vor der Depression Spaß machten, zur Salutogenese sehr entscheidend.
In den letzten Jahren sind Aspekte der Achtsamkeit in die KVT inkorporiert worden – wir sprechen dann von achtsamkeitsbasierter kognitiver Verhaltenstherapie. Unter Achtsamkeit verstehen wir einen speziellen Prozess der Aufmerksamkeit, welcher absichtsvoll, auf den gegenwärtigen Moment gerichtet und vor allem nicht bewertend ist. Achtsamkeit, im Englischen „mindfulness“, bedeutet im gegenwärtigen Moment – im Hier und Jetzt – zu sein, bewusst wahrzunehmen, aufmerksam zu sein und nicht zu beurteilen oder zu bewerten. Achtsamkeit ist eine Technik, die trainiert werden kann, und mehr noch eine Haltung, die erlernbar ist. Achtsamkeit dient der – zunächst so wichtigen – Akzeptanz der Depression, ohne sich selbst abzuwerten und zu sabotieren. Achtsamkeit kann unter psychologischer Anleitung durch Sitz- und Atemmeditationen oder den Body-Scan praktiziert werden und ergänzt die traditionellen Entspannungstechniken der progressiven Muskelrelaxation, des autogenen Trainings und der Klopfakupressur. Im Gegensatz zu den Entspannungstechniken tragen die Achtsamkeitstechniken aber auch eine Komponente von Spiritualität in sich.
5.3.2. Interpersonelle Psychotherapie
Die interpersonelle Psychotherapie (IPT) basiert auf der Annahme, dass eine unzureichend gelungene Anpassung an psychosoziale Stressoren bzw. deren unzureichende Bewältigung ein entscheidender Auslöser der Depression ist. Bei der IPT hilft der Therapeut/die Therapeutin dem Patienten/der Patientin, Ereignisse, die die Depression potenziell ausgelöst haben, zu erkennen, zu verstehen und zu erklären. Das kann der Verlust einer nahe stehenden Person, oder eine schmerzhafte Trennung sein. Auch Rollenkonflikte und Rollenwechsel sowie soziale Isolation oder Defizite in der sozialen Kompetenz und Kommunikation kommen als mögliche Auslöser in Betracht. Somit umfassen wichtige Therapiebereiche der IPT insbesondere Trauerarbeit, Trennungsverarbeitung, Anpassung an die Übernahme neuer sozialer Rollen und die Bearbeitung möglicher interpersoneller und sozialer Konflikte oder „Defizite“.
Die IPT ist als Kurzzeittherapie mit 15 bis 20 Sitzungen von je 50-minütiger Dauer konzipiert und vermittelt Patientinnen und Patienten hilfreiche und belastungsreduzierende Techniken, mit dem Verlust einer nahe stehenden Personen und/oder der Trennung von einem geliebten Partner umzugehen, Rollenkonflikte zu lösen, sich an Rollenwechsel anzupassen sowie mögliche soziale Kompetenz- und Kommunikationsdefizite auszugleichen.
Die IPT ist unter anderem sehr hilfreich und wirkungsvoll für Betroffene:
- bei denen belastende Lebensereignisse oder Lebensveränderungen eingetreten sind, z.B. bei einem subjektiv schwierigen Übergang von der Uni in den ersten Berufsabschnitt oder in den Ruhestand nach einer langen und erfolgreichen Karriere,
- die Schwierigkeiten mit einem sozialen Rollenwechsel erfahren, z.B. eine Mutter, deren einzige Tochter im Zuge des Erwachsenwerdens den gemeinsamen Haushalt verlässt,
- die interpersonelle und unzureichend lösbare Konflikte mit ihnen nahestehenden Personen erfahren,
- die wiederholt ungünstige Beziehungsmuster an den Tag legen.
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Zusammenfassung und Resümee
Depressionen können in Form einer einzigen Episode oder wiederkehrender Episoden (rezidivierend) auftreten. Es deutet vieles drauf hin, dass die vielfältigen beruflichen und privaten Anpassungserfordernisse unserer schnelllebigen Zeit die Entstehung und Aufrechterhaltung von Depressionen begünstigten. Sie sind heutzutage weit verbreitet mit einer Prävalenzrate von bis zu 20%, was bedeutet, dass jeder Fünfte einmal im Leben eine behandlungsbedürftige Depression erfährt.
Die Symptome von Depressionen sind körperlicher (vegetativer) und psychischer Natur mit den Leitsymptomen gedrückte Stimmung, Interessenverlust und Antriebsverminderung.
Mit Blick auf die Ursachen sind diese multifaktoriell und umfassen biologische, psychosoziale und auch lebensgeschichtliche Komponenten.
Es gibt eine Reihe wirksamer psychologischer und psychotherapeutischer Behandlungsansätze, wobei sich die psychodynamisch orientierte Therapie aber insbesondere die achtsamkeitsbasierte kognitive Verhaltenstherapie und die interpersonelle Psychotherapie als wirksam erwiesen haben. Damit werden depressiven Menschen ein belastungsreduzierender Umgang mit der Depression und Wege zur befreienden Salutogenese eröffnet, die sie dann auch gehen können. Damit schiftet der Fokus wieder auf das Positive und der Weg von der empfundenen Hilflosigkeit zum „erlenbaren“ Optimismus wird geebnet.
Letztlich kann auch ein zunächst akzeptierender und metakognitiver Blickwinkel hilfreich sein, um sich nicht von der Depression überwältigen zu lassen: „Es ist nicht schlimm, deprimiert zu sein, aber es ist nicht gut, sich davon deprimieren zu lassen, zur Zeit deprimiert zu sein“.
Depression treten häufig zusammen mit einer Angststörung auf (Komorbidität).
Umgang mit und Therapie von Angststörungen.
Literatur:
In einigen wenigen Teilen basiert der Beitrag auf:
Paulitsch, K. und Karwautz, A. (2008), Grundlagen der Psychiatrie, Wien: Facultas Verlags- und Buchhandels AG.
Als verständliche Literatur zum Verstehen und zur Bewältigung von Depressionen hilfreiche Literatur empfohlen:
Dahlke, R. (2008), Depression: Wege aus der dunklen Nacht der Seele, München: Goldmann Verlag