Angststörungen: Symptome, Ursachen und Therapie

Der nachfolgende Beitrag vermittelt einen einführenden und hoffentlich leicht verständlichen Überblick der Hauptsymptome, potenziellen Ursachen und insbesondere der wirksamen Behandlungs- und Therapieoptionen der verschiedenen Angststörungen.

Die evolutionsbiologisch begründete Angstreaktion ist in realen Gefahrensituationen notwendig oder gar überlebensnotwendig – Angstreaktionen in risiko- und gefahrlosen Situationen sind jedoch für die Betroffenen sehr belastend und können chronisch werden.

Ein gemeinsames Merkmal der verschiedenen Angststörungen ist die starke Tendenz zu einem Rückzugs- und Vermeidungsverhalten, die aber überlernbar ist, indem sich Betroffene graduell wieder potenziell angstverursachenden Situationen, Objekten und/oder Begegnungen stellen. In der Regel bedarf eine solche graduelle Konfrontation einer professionellen psychologisch-therapeutischen Unterstützung – als befreiende und die Lebensqualität (wieder) erhöhende Hilfe zur Selbsthilfe.

Eine zunächst stützende Gesprächstherapie, therapiegeleitete Übungen zur Stressreduktion, Entspannung und achtsamkeitsbasierten Meditation sowie Expositionen im Rahmen der kognitiven Verhaltenstherapie sind wirksame Mittel zur erfolgreichen und deutlichen Minderung oder gar Beseitigung der als sehr belastend erlebten Angstproblematik. Vor allem die Exposition und Konfrontation mit angstauslösenden Situationen erfordert zunächst auch ein Maß an Überwindung und Mut. Zur Durchbrechung des Angstkreislaufes und der dabei häufig gegebenen „Angst vor der Angst“ gilt „Mut tut gut“!

  1. Kennzeichnung, Formen und Symptome der Angststörungen

Angst gehört wie Trauer und Freude zu den normalen Gefühlen oder Emotionen und stellt einen notwendigen Teil menschlichen Erlebens dar. Angst hat in objektiven Gefahrsituationen eine Warn-, Schutz- und Handlungsfunktion – wir alle kennen dieses beispielsweise aus dem Straßenverkehr. Von krankhafter oder pathologischer Angst sprechen wir dann, wenn Angstreaktionen – mit ihren körperlichen und psychischen Abläufen – ohne real ersichtliche Risiko- und Gefahrenentsprechung auftreten. Da hier keine Notwendigkeit für Angstsymptome besteht, werden diese von Betroffenen als störend, hemmend, sehr unangenehm und beklemmend erlebt, was erheblichen Leidensdruck verursacht.

Durch die Stress- oder Angstreaktion werden blitzschnell Energien aktiviert, die für eine Kampf- oder Fluchtreaktion benötigt werden – sinnvoll bei realer Gefahr aber belastend im Falle von Angststörungen. Durch den Sympathikus werden vegetative Abläufe wie Steigerung des Blutdrucks und der Herzfrequenz sowie vermehrtes Schwitzen aktiviert.

Angst kann sich in verschiedenen Formen manifestieren und zeigen:

  • Ungerichtete, sog. frei flottierende Angst wie sie bei der generalisierten Angststörung auftritt: eine anhaltende und viele Lebensbereiche betreffende Angst, die nicht auf bestimmte Objekte, Situationen oder Begegnungen beschränkt ist.
  • Gerichtete, sog. phobische Angst: die Angst besteht vor bestimmten Objekten oder Tieren wie bei der verbreiteten Spinnenphobie (Arachnophobie) oder sie tritt in bestimmten und in ihrer Natur ungefährlichen Situationen auf (bspw. bei sozialen Kontakten).
  • Anfallsartig auftretende Angst, sog. Panikattacken: Plötzliche und meist „aus heiterem Himmel“ auftretende extreme Angst mit schweren somatischen und psychischen Symptomen.

Nachfolgend werden die korrespondierenden Angst- und Zwangsstörungen, d.h. deren Beschreibung und Klassifizierung nach den Hauptsymptomen, in ihren Grundzügen dargestellt.

1.1. Generalisierte Angststörung

Die generalisierte Angststörung ist durch dauerhafte, unrealistische oder übertriebene Furcht oder Sorgen gekennzeichnet. In aller Regel betreffen diese Sorgen und Befürchtungen mehrere Lebensbereiche, wie Arbeit, Finanzen, Freundeskreis und Partnerschaft bzw. Ehe. Die Betroffenen haben Schwierigkeiten, die ständigen und unverhältnismäßigen Sorgen zu kontrollieren. Im Zuge der Sorgeketten tritt oft langes und sinnloses Grübeln auf, welches auch für die (komorbiden) Depressionen charakteristisch ist.

Die Ängste und Sorgen werden von einer Vielzahl von Symptomen begleitet, die Ruhelosigkeit, leichte Ermüdbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Reizbarkeit, Muskelverspannung und Schlafprobleme einschließen.

Häufige körperliche (somatische oder vegetative) Symptome umfassen beschleunigten Herzschlag (Tachykardie), Schweißausbrüche, fein- oder grobschlägiges Zittern (Tremor) und Mundtrockenheit, welche nicht die Folge von Medikamenten ist. Daneben können Übelkeit (Nausea) und Missempfindungen im Bereich des Thorax auftreten.

Die wichtigsten psychischen Symptome bei der generalisierten Angststörung umfassen Beklemmungsgefühle sowie Gefühle von Schwindel, Unsicherheit und Benommenheit.

Die klinisch-psychologische Diagnose einer generalisierten Angststörung erfordert das Vorliegen einer Mindestzahl bestimmter Symptome über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten.

1.2. Soziale Phobie

Die soziale Phobie ist geprägt von einer dauerhaften, unangemessene Furcht vor und Vermeidung von Situationen, in denen Betroffene mit anderen Menschen in Kontakt kommen und dadurch einer möglichen Bewertung im weitesten Sinne ausgesetzt sind.

Menschen, die unter einer sozialen Phobie leiden, antizipieren und fürchten insbesondere eine negative Bewertung durch Andere, sie befürchten, zu versagen, sich lächerlich zu machen oder wegen ihres vermeintlich ungeschickten Verhaltens gedemütigt zu werden. Soziale Phobien können sowohl eng umschrieben sein (z.B. Furcht vor öffentlichem Sprechen oder Auftritten) als auch einen Großteil zwischenmenschlicher Aktivitäten einschließen (z.B. das Essen in einem Restaurant). Typischerweise zeigen die Betroffenen starke Erwartungsangst, wenn eine soziale Situation bevorsteht. Durch das häufige Vermeidungsverhalten kann sich die Sozialphobie chronifizieren und intensivieren, d.h. es entsteht eine zunehmende „Angst vor der Angst“ in sozialen Situationen und bei zwischenmenschlichen Begegnungen. Die in „kritischen“ sozialen Situationen auftretenden vegetativen und psychischen Symptome entsprechen denen der oben dargestellten generalisierten Angststörung.

1.3. Spezifische Phobie

Eine spezifische Phobie kennzeichnet die dauerhafte, unangemessene und intensive Furcht und Vermeidung spezifischer Objekte und Situationen. Ausgenommen sind davon die Angst vor sozialen Funktionen (à soziale Phobie) und die Furcht vor plötzlichen Angstanfällen (à Panikstörung).

Die verbreitetsten Phobien beziehen sich auf Tiere (z.B. Spinnen, Schlangen und Hunde), enge Räume, Höhen, Flugzeuge und den Anblick von Blut, Verletzungen und Spritzen. Verbreitet ist auch die Angst vor natürlichen Umweltphänomen (z.B. Gewitter) und vor spezifischen Orten und Situationen (z.B. öffentliche Verkehrsmittel, Tunnel, Brücken und Fahrstühle).

Für die Betroffenen haben diese weit verbreiteten Ängste eine so schwere körperliche und seelische Symptomatik, dass sie die normale Lebensführung erheblich beeinträchtigen und ausgeprägten Leidensdruck verursachen. Die bei der Konfrontation mit den Phobie-auslösenden Objekten oder Situationen verspürten Symptome entsprechen denen der oben dargestellten generalisierten Angststörung und denen der nachfolgend beleuchteten Panikstörung (jedoch in geringerer Intensität). Wie in dem Abschnitt Behandlung und Therapie gezeigt wird, können die gelernten Phobien insbesondere durch Desensibilisierung mit anschließender graduell zunehmender Exposition und Konfrontation wieder verlernt bzw. „überlernt“ werden.

1.4. Agoraphobie

Ursprünglich wurde unter dem Begriff der Agoraphobie nur die Angst „vor offenen Plätzen“ verstanden. Der Begriffsumfang erfuhr jedoch eine Erweiterung und die Agoraphobie umfasst danach zusätzlich zu der Angst vor offenen Plätzen, die Angst vor bzw. in Menschenmengen, und vor Situationen und Orten, die als bedrohlich erlebt werden, da sie nicht sofort verlassen werden können wie bspw. Theater, Kinos, Aufzüge oder U-Bahnen. Letztlich fällt auch die Angst, alleine zu reisen bzw. die Angst vor Reisen mit weiter Entfernung von Zuhause unter den erweiterten Begriff der Agoraphobie. Als Schlüsselsymptom der Agoraphobie gilt die Angst wegen des Fehlens eines sofort verfügbaren Fluchtweges, was dann das starke Vermeidungsverhalten vor den genannten Orten und Situationen erklärt.

Es wird differenziert zwischen der Agoraphobie ohne Angabe einer Panikstörung und der Agoraphobie mit Angabe einer Panikstörung.

1.5. Panikstörung

Wesentliche Merkmale der Panikstörung sind häufige Angst- bzw. Panikanfälle oder die dauerhafte Sorge vor solchen Anfällen (Angst vor der Angst). Angstanfälle sind plötzlich auftretende Zustände intensiver Furcht oder Unbehagens, die von einer Vielzahl körperlicher (vegetativer) und psychischer Symptome begleitet werden, welche in schweren Fällen Vernichtungsgefühle und Todesangst einschließen. Solche intensiven Panikattacken dauern in im Durschnitt ca. 20 Minuten und klingen danach langsam ab.

Die wichtigsten vegetativen Symptome umfassen Herzklopfen, Herzstolpern und Herzrasen (Tachykardie), Benommenheit bzw. „Schwindel“, Atemnot bzw. Kurzatmigkeit, Magen-Darm-Beschwerden, Schwitzen, Zittern, Brustschmerzen und starke Beklemmungen, die in schweren Fällen bis zur Befürchtung, zu sterben, führen. Psychische Symptome sind die Angst, die Kontrolle zu verlieren oder „verrückt“ zu werden.

Für die Diagnose der Panikstörung ist es erforderlich, dass auf zumindest eine der Attacken mindestens ein Monat mit anhaltender Besorgnis über das Auftreten weiterer Panikattacken oder Sorgen über die Bedeutung der Attacke oder ihrer Konsequenzen folgt. Befürchtete Konsequenzen umfassen insbesondere Ängste, die Kontrolle zu verlieren oder einen Herzinfarkt zu erleiden.

Das Gros der Angstanfälle tritt unerwartet „aus heiterem Himmel“ auf, d.h. sie entstehen ohne eine für den Patienten oder die Patientin erkennbare auslösende Ursache oder „Trigger“ und sind nicht regelmäßig an spezielle Situationen gebunden – wie bspw. Autofahren, Kaufhäuser, Menschenmengen oder Fahrstühle.

Als Folge erlebter intensiver Panikattacken resultiert häufig ein Vermeidungsverhalten und die Betroffenen schränken ihren Lebensstil ein, sie gehen nicht mehr an Orte und in Situationen, an welchen sie diese Angstanfälle erlebt haben.

1.6. Zwangsstörung

Die geschätzte Lebenzzeitprävalenz von Zwangsstörungen liegt bei 3%, womit die Zwangsstörung als vierthöchste psychogene Erkrankung nach Depressionen, Angsterkrankungen und Abhängigkeitserkrankungen gilt. In 75% der Fälle von Zwangserkrankungen existiert eine weitere psychogene Erkrankung (Komorbidität).

Pedanterie und Zwanghaftigkeit sind Charakterzüge vieler Menschen, die in Maßen auch Vorteile haben – etwa den, beruflich gut organisiert zu sein und strukturiert zu arbeiten. Unter Zwang im psychopathologischem Sinne, wird dagegen eine sehr belastende und Leidensdruck erzeugende Rigidität verstanden. Darunter fallen Gedanken und/oder Handlungsimpulse und Handlungen, die sich aufdrängen und nicht unterdrücken lassen bzw. im Falle der Unterdrückung zu erheblicher Angst führen.

Zwangsgedanken sind gekennzeichnet durch aufdringliche und wiederkehrende Gedanken, welche dann häufig zu korrespondierenden Zwangsimpulsen und Zwangshandlungen führen. Ein Großteil der Betroffenen leidet unter der gemischten Form, d.h. sowohl unter Zwangsgedanken als auch unter Zwangshandlungen. Die Zwänge – und insbesondere die Versuche, die Zwangsgedanken und Zwangsrituale zu unterdrücken – werden von erheblichen aversiven Emotionen wie Angst und Ekel begleitet. Die bekannteste Zwangsstörung ist wohl der Waschzwang – aus Angst vor Kontamination waschen sich manche Betroffene bis zu 100 Mal am Tag die Hände (blutig). Weit verbreitet ist auch der Kontrollzwang – Betroffene kehren etwa mehrmals nach zu Hause zurück, um zu kontrollieren, ob die Kaffeemaschine abgeschaltet und/oder die Haustüre verschlossen ist. Die Beispiele des Wasch- und Kontrollzwanges verdeutlichen auch die enormen Kosten im Sinne des Zeitaufwandes, der erforderlich wird, um die Zwänge zu „kontrollieren“. De facto werden aber Menschen, die unter einer Zwangsstörung leiden von ihren Zwängen kontrolliert und lasen sich dadurch extrem in ihrer Lebensführung, Freiheit und Lebensqualität beeinflussen.

Die hohen Leidensdruck verursachenden Zwangserkrankungen bedürfen der psychiatrischen und/oder psychologisch-therapeutischen Behandlung, da bei unbehandelten Fällen ein hohes Risiko der Chronifizierung besteht.

  1. Häufigkeit von Angststörungen

Für die oben dargestellten Formen der Angsterkrankungen bestehen unterschiedliche Häufigkeiten (Prävalenzen). Die Lebenszeitprävalenz für eine Form von Angststörung liegt bei geschätzten 30%, was bedeutet, dass jeder dritte Mensch einmal im Laufe seines Lebens an einer Angststörung erkrankt. Damit gehören Angststörungen – neben den Depressionen – zu einer der häufigsten psychogenen Krankheiten bzw. Belastungen.

  1. Ursachen von Angststörungen

Wie bei Depressionen sind auch die Ursachen von Angsterkrankungen multifaktorieller und biopsychosozialer Natur; das bedeutet dass die Ursache einer Angsterkrankung eine Kombination aus biologischen und psychosozialen Faktoren ist. Auch hier gilt das Vulnerabilitäts-Stress-Model. Die Wahrscheinlichkeit des Ausbruches einer Angststörung steigt somit, wenn Betroffene mit einer Disposition oder Neigung zu Ängsten gleichzeitig längerem und erhöhtem Stress ausgesetzt sind.

Evidenz für den Einfluss biologischer Faktoren liefern zahlreiche empirische Studien an eineiigen (monozygotischen) Zwillingen, die belegen, dass Angehörige von Betroffenen mit einer Angsterkrankung ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko haben, ebenfalls eine Angsterkrankung zu entwickeln. Angstpatienten zeigen eine – jedoch bis heute nur unzureichend verstandene – Hypersensibilität und Fehlreaktion in gewissen Hirnarealen, insbesondere in der Amygdala und dem limibischen System, die nachfolgend kognitive Prozesse dysfunktional beeinflusst. Dabei spielen Botenstoff- oder Neurotransmittersysteme – wie Noradrenalin und Gammaaminobuttersäure (GABA) – eine entscheidende Rolle. Die medikamentöse und kurzfristige (!) Behandlung von akuten Angststörungen mit Benzodiazepinen setzt an den GABA-Rezeptoren an – kurzfristig deshalb, weil Benzodiazepine ein hohes Abhängigkeitsrisiko mit sich bringen! Die dysfunktionalen Prozesse zeigen eine Parallele zu denen bei der Depression: Während depressive Menschen selektiv auf negative Aspekte und Ereignisse fokussieren, liegt der Fokus bei Angstpatienten auf potenzielle Gefahren. Potenziell ambivalente Stimuli werden häufig schnell als gefährlich interpretiert. So mag ein Mensch in einer Situation gesteigerte Angst oder Anspannung den Anblick eines Schildes mit der Aufschrift „Notar“ als „Notarzt“ wahrnehmen.

Neben den möglichen biologischen Faktoren spielen bei Angststörungen – ähnlich wie bei Depressionen – psychogene oder psychosoziale Faktoren eine sehr bedeutende Rolle, von denen hier nur die wichtigsten skizziert werden. Weitere psychosoziale Faktoren werden im folgenden Abschnitt der Behandlung und Therapie von Angststörungen näher beleuchtet.

Der Lerntheorie im Sinne der klassischen (und operanten) Konditionierung kommt vor allem bei Phobien eine große Bedeutung zu – so wie diese gelernt wurden, können sie auch wieder verlernt werden. Die Lerntheorie im Sinnes des Modelllernens betont ungünstige frühkindliche Erfahrung und Entwicklungsdefizite, traumatische Lebensereignisse, überführsorglich-protektiven Erziehungsstil und den Umgang der Eltern oder nahen Bezugspersonen mit Befürchtungen, Ängsten und Sorgen, aus denen entsprechende Angststörungen oder Störbilder resultieren können.

Die von Angstpatienten und Angstpatientinnen empfundene „Angst vor der Angst“ wird durch das Kreismodell der Angst abgebildet. Die Wirkungskette sieht vereinfacht folgendermaßen aus: Auslöser der Angstreaktion sind Gedanken und/oder körperliche Veränderungen im Sinne von Missempfindungen wie etwa ein beschleunigter, unruhiger Puls oder ein Kloßgefühl im Hals. Die Gedanken und körperlichen Missempfindungen führen zu (weiteren) Gedanken an „Gefahr“, was nachfolgend die Angst und dann wiederum die Intensität der vegetativen Missempfindungen verstärkt. Die untenstehende Abbildung zeigt das Kreismodell der Angst in vereinfachter Form.

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Abbildung: Vereinfachtes Kreismodell dar Angst

Dem Gros der Angststörungen gemeinsam ist ein starkes Vermeidungsverhalten als – allerdings die Angst verstärkender – Abwehrmechanismus gegen die vermeintlich gefährlichen Orte, Objekte, Situationen oder Begegnungen. Dieses Vermeidungsverhalten stellt nicht nur ein die Angst aufrecht erhaltenes Schlüsselelement dar sondern verstärkt auch die Intensität der psychischen wie körperlichen Angstsymptomatik. Somit kommt dem (schrittweisen) Verlernen des Vermeidungsverhaltens – oder gar dessen schnelles Durchbrechung in Form von Flooding – eine zentrale Rolle in den nachfolgend diskutierten Behandlungs- und Therapieansätzen zu.

  1. Behandlung und Therapie von Angststörungen

Es existiert eine Reihe von evidenzbasierten und wirkungsvollen Behandlungsoptionen bei Angststörungen. Nach anfänglicher diagnostischer Abklärung wird die geeignete multimodale Therapie abgeleitet und ein Behandlungsplan für die Patientin bzw. den Patienten erstellt. Dieser wird im Rahmen des Therapiefortschritts auf dessen Wirksamkeit überprüft und, wenn sinnvoll, auch modifiziert.

4.1. Biologische Therapieverfahren zur Behandlung von Angststörungen

Die biologischen Behandlungsansätze fallen in den psychiatrischen Bereich und umfassen die Behandlung mit Psychopharmaka insbesondere mit Antidepressiva. Zu nennen sind vor allem selektive Serotonin-/Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, die die Verfügbarkeit von Serotonin und/oder Noradrenalin im synaptischen Spalt verlängern und als relativ gut verträglich mit günstigem Nebenwirkungsprofil gelten. Die Antidepressiva, die ursprünglich zur pharmakologischen Behandlung von Depressionen entwickelt wurden, kommen heute auch zunehmend zur Behandlung von Angsterkrankungen zum Einsatz.

Wenn ausgeprägte Schlafstörungen, Unruhe (Agitiertheit), eine akute Krisensituation oder Suizidalität gegeben sind, können zur kurzzeitigen (!) medikamentösen Intervention Benzodiazepine (Tranquilizer) indiziert sein – kurzzeitig deshalb, weil diese Medikamente ein großes Suchtpotenzial mit Komplikationen beim Absetzen in Form von wieder angststeigernden Entzugserscheinungen in sich tragen! Weiterhin wird durch sedierende Medikamente die Auseinandersetzung mit möglichen Ursachen der Angst sowie die Erarbeitung und Umsetzung von lösungsorientierten Interventionen unterminiert.

Von einer alleinigen Pharmakotherapie ist abzuraten – sie sollte stets durch psychotherapeutische Behandlungen ergänzt werden.

Wie bei Depressionen kommt auch bei Angsterkrankungen Sport als absolut nebenwirkungsfreie „biologische Selbsttherapie“ in Betracht. Moderate Ausdauerbelastung führt zu einer stimmungsverbessernden und angstreduzierenden Ausschüttung von Endorphinen (selbst produzierten, körpereigenen Morphinen). Weiterhin steigt durch die physische Ausdauerbelastung auch wieder das Körperbewusstsein und Vertrauen in die physische Belastbarkeit. Wenn Sie dann noch Sportarten mit Geselligkeit ausüben – wie Mannschaftssport, Tennis oder Tanzen – beinhaltet dies auch die Möglichkeit positiver sozialer Kontakte und stellt somit eine wichtige psychosoziale Maßnahme dar.

4.2. Entspannungs- und Meditationstechniken zur Behandlung von Angststörungen

Stress- und angstreduzierende Entspannungsverfahren sowie achtsamkeitsbasierte Meditationstechniken sind relativ leicht erlernbar und können dann im Alltag selbständig bei den ersten Anzeichen der Angst und Anspannung zur schnellen Entspannung angewandt werden. Die längerfristige und regelmäßige Anwendung der Entspannungs- und/oder Meditationstechniken bringt gesundheitsfördernde physiologische und psychologische Effekte mit sich, die insbesondere den Umgang mit Stress erleichtern und (so) auch eine wirksame Reduktion von vegetativen Beschwerden bei Angsterkrankungen bewirken. Die physiologischen Effekte umfassen eine Aktivierung des Parasympathikus: Es kommt zu einer Verlangsamung und Gleichmäßigkeit der Atmung, Verminderung der Herzschlagfrequenz und des arteriellen Blutdrucks sowie Tonusminderung der Skelettmuskulatur. Als psychische Wirkungen sind Steigerung der Gelassenheit und Stimmung zu nennen.

Das autogene Training und die progressive Muskelrelaxation repräsentieren die effizientesten Entspannungs- oder Relaxationsverfahren.

In den letzten Jahren haben sich achtsamkeitsbasierte Meditationsverfahren etabliert, deren regelmäßige Anwendung für viele Betroffene ein – zumindest unterstützendes – Verfahren zum besseren Umgang mit und zur Reduktion von Angst- und Spannungszuständen darstellt.

Unter Achtsamkeit verstehen wir einen speziellen Prozess der Aufmerksamkeit, welcher absichtsvoll, auf den gegenwärtigen Moment gerichtet und vor allem nicht bewertend ist. Achtsamkeit, im Englischen „mindfulness“ bedeutet im gegenwärtigen Moment – im Hier und Jetzt – zu sein, bewusst wahrzunehmen, aufmerksam zu sein und nicht zu beurteilen oder bewerten. Achtsamkeit ist eine Technik, die trainiert werden kann und mehr noch eine Haltung, die erlernbar ist. Achtsamkeit dient der – zunächst so wichtigen – Akzeptanz der Angstproblematik, was dann einen gelasseneren Umgang mit den Ängsten bei gleichzeitiger Steigerung der Therapiebereitschaft bewirken kann.

Bei längerfristiger Praktizierung der – zunächst unter psychologischer Anleitung – vermittelten Meditationstechnik (wie Sitz- und Atemmeditationen oder Body-Scan) werden von Angstpatienten die folgenden günstigen Wirkungen auf das Vegetativum beschrieben:

  • Verlangsamung und erhöhte Gleichmäßig der Atmung
  • Abnahme der Herzschlagfrequenz
  • Senkung des arteriellen Blutdrucks.

Elemente der skizzierten Achtsamkeit haben seit einiger Zeit auch Einzug in die nachfolgend dargestellte Kognitive Verhaltenstherapie zur Behandlung von Angsterkrankungen gehalten.

4.3. Kognitive Verhaltenstherapie zur effizienten Behandlung von Angststörungen

Behandlungen nach den Grundsätzen der achtsamkeitsbasierten kognitiven Verhaltens-therapie (KVT) haben sich – wie in der Therapie von Depressionen – auch als besonders wirksam in der Therapie von Angststörungen erwiesen. Die KVT umfasst effiziente und entlastende Methoden, die auf die Veränderung von Denk- und Wahrnehmungsprozessen abzielen, um dadurch Gefühle (Emotionen) und nachfolgend auch das Verhalten positiv und zu beeinflussen.

Mit Blick auf Angststörungen umfasst die KVT unter anderem die folgenden Techniken, die Patientinnen und Patientinnen mit fortschreitender Therapie selbständig anwenden können:

  • Entkatastrophisieren: Die subjektive Bewertung einer Situation, Begegnung oder Herausforderung wird infrage gestellt: „Wäre es wirklich eine Katastrophe, wenn die befürchtete Situation eintreffen würde?“.
  • Realitätsprüfung: Befürchtungen und Sorgen werden auf ihren Realitätsgehalt geprüft; dazu werden der Patient/die Patientin angehalten, im Alltag Belege zu sammeln, die für bzw. gegen die Hypothesen sprechen, die die Angst und Furcht auslösen und aufrechterhalten.
  • Verhaltensänderung: Die Belastung aufrechterhaltene Verhaltensweisen werden identifiziert und Schritt für Schritt durch angstreduzierende und das Wohlbefinden steigernde Verhaltensweisen und -alternativen ersetzt. So können bspw. die verbreiteten Neigungen zu fruchtlosem Grübeln und Sorgenketten gestoppt und nachhaltig gemindert werden. Nachfolgend kann das Angsterkrankungen kennzeichnende Vermeidungsverhalten schrittweise durch Konfrontation mit den angstauslösenden Situationen und Begegnungen angebaut werden, was für Betroffene befreiende Wirkung zeigt.
  • Achtsamkeit: Die regelmäßige Anwendung der Technik und der erlenbare Haltung führt zu einer effizienten Verminderung der Stress-Reaktivität und zu einer erhöhten Akzeptanz, was einem achtsameren Umgang mit uns selbst und unseren Ängsten führt.

Nachfolgend werden noch zwei spezielle Verfahren innerhalb der KVT erläutert: Die Expositions- und Konfrontationstechniken – zur Behandlung von Phobien – und die Exposition mit Reaktionsverhinderung zur Behandlung von Zwangsstörungen.

4.3.1. Desensibilisierung, Expositions- und Konfrontationstechniken

Die speziellen KVT-Techniken der systematischen Desensibilisierung mit nachfolgender Exposition und Konfrontation kommen insbesondere bei Phobien zum Einsatz. Am nachfolgenden Beispiel einer erworbenen Fahrstuhl-Phobie soll gezeigt werden, wie sich eine konditionierte Phobie durch eine Konfrontations- und Expositionstherapie wieder verlernen lässt. Für die Mehrzahl von Betroffenen führt dies zu einer spürbar verminderten Symptomatik, wenn sie in die gefürchtete „phobische Situation“ geraten.

Wichtiger Hinweis: Das nachfolgende Beispiel ist vereinfacht und vor einer psychologischen Exposition und Konfrontation sollte stets eine medizinische Abklärung der (kardiovaskulären) Belastbarkeit erfolgen!

Unser 35-jähriger Klient, Herr K. aus Wien, ist in glücklicher Ehe verheiratet, hat weder gesundheitliche noch finanzielle oder berufliche Probleme und hat einen guten Freundeskreis. Diese günstigen Voraussetzungen tragen zu seiner psychischen Stabilität bei. Herr K. ist im Außendienst tätig, was in der Regel mehrtätige Dienstreisen erfordert. Auf einer Dienstreise nach Graz erfährt er im dortigen Hotel beim Aufzugfahren einen etwa einstündigen Stromausfall. Er beleibt auf dem Weg zur Tiefgarage zwischen dem ersten und zweiten Untergeschoss im Fahrstuhl stecken. Das Rufsystem im Aufzug funktioniert nicht; außerdem hat er in dem gut isolierten Lift keinen Handy-Empfang. Nach einiger Zeit überkommt Herrn K. ein zunehmend beklemmendes Gefühl – mit Ansteigen des Pulses und Schweißausbrüchen. Auch schießt ihm der fragende Gedanke durch den Kopf; „Was kann ich tun, wenn jetzt im Hotel ein Feuer ausbrechen sollte?“. In der nächsten halben Stunde werden die körperlichen und psychischen Beklemmungen und Beschwerden noch intensiver. Bevor der Strom wiederhergestellt ist und Herr K. den Fahrstuhl verlassen kann, hat er eine heftige Panikattacke erlitten.

In der Folgezeit versucht unser Klient – wenn immer möglich – das Fahrstuhlfahren zu vermeiden – insbesondere vermeidet er es dabei, alleine im Lift zu fahren. Durch die Vermeidung festigt sich seine Erwartungsangst, wann immer er Fahrstühle benutzen muss.

Herr K. sucht letztlich psychologischen Rat und Unterstützung bei der Therapeutin T. Diese erklärt ihm zunächst, dass er durch das Erlebte eine Phobie vor Fahrstühlen erworben hat. In der ersten Sitzung werden Herrn K. Entspannungstechniken vermittelt. Dann geht er in einer Imaginationsübung die Situation des Aufzugfahrens mental durch: Von der reinen Vorstellung des Aufzugfahrens, über das Einsteigen in den Lift, der angespannten Fahrt bis hin zum – unwahrscheinlichen aber möglichen – erneuten Steckenbleiben. Im Rahmen dieser systematischen Desensibilisierung vermittelt ihm Frau T. wie er gleichzeitig die erlernten Entspannungs- und Atemtechniken einsetzen kann.

Herr K. wird in der kommenden Sitzung von seiner Therapeutin, darauf vorbereitet, in der nächsten Woche zunächst mit ihr, dann alleine, in einem Wiener Hochhaus längere Zeit ununterbrochen Lift zu fahren. Er werde wieder die somatischen und psychischen Stress- und Angstsymptome erleben, die aber mit langanhaltender Exposition – dem sich der Fahrstuhlfahrt Aussetzen – graduell nachlassen würden.

In der Folgewoche exponiert und konfrontiert sich Herr K. mit dem Aufzugfahren. Bei den ersten Fahrten zusammen mit der Therapeutin halten sich die Beschwerden noch in Grenzen. Beim anfänglichen Alleine-Fahren kehren jedoch die erlebten Angstsymptome wieder mit sehr großer Intensität zurück. Nach einiger Zeit des ununterbrochenen Liftfahrens, fühlt her K. dann jedoch, dass die Angst, Beklemmungsfühle und körperlichen Symptome nach deren Spitze graduell von alleine wieder spürbar nachlassen.

Entscheidend war für Herrn K. die Exposition und Konfrontation mit dem Liftfahren und zwar so lange, bis der Höhepunkt der Angst und ihrer körperlichen Symptome erreicht und überschritten wurde. Vor der dargestellten psychologischen Intervention, verließ Herr K. – wenn das Benutzen eines Aufzugs nicht zu vermeiden war – stets so schnell wie möglich die angsterzeugenden Aufzüge, d.h. zu Zeiten, in denen die Angst noch im Ansteigen begriffen war. Dadurch erreichte und erfuhr er aber nie das Maximum seiner Angst und damit vor allem auch nicht das entscheidende Nachlassen der Angst mit ihren körperlichen und psychischen Symptomen. Nur indem er sich der Spitze der Angst aussetzte konnte er erfahren und spüren, dass die Angst nach Durchlaufen ihres Maximums graduell wieder nachlässt und er den Teufelskreis der „Angst vor der Angst“ durchbrechen kann.

Die dargestellten Grundsätze der Desensibilisierung mit anschließender Exposition und Konfrontation sind auf sämtliche Phobien – bspw. Tierphobien, aber auch die Sozialphobie – entsprechend und wirkungsvoll anwendbar.

4.3.2. Exposition mit Reaktionsverhinderung

Die kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlung der Exposition mir Reaktionsverhinderung zeigt hohe Wirksamkeit bei der Therapie von Zwangsstörungen, was am Beispiel des Waschzwangs erklärt werden soll. Die Angst der Betroffenen vor Kontamination resultiert in sehr hoher Anspannung, wenn sie nicht ihrem zwanghaften Waschritual nachgehen können. Das Waschen bedingt dann aber stets nur eine sehr kurzfristige Minderung der Angst und Anspannung. In einer Expositionsbehandlung wird ein unter Waschzwang leidender Patient einer Konfrontation mit den zwangsauslösenden Stimuli ausgesetzt: Er wird angehalten, schmutzige Gegenstände in Gegenwart des Therapeuten zu berühren und die Ängste eine längere Zeit auszuhalten, ohne dem Waschimpuls nachzugeben. Durch dieses Reaktionsmanagement in Form der Reaktionsverhinderung (Unterlassen des Waschens) erlebt der Patient, dass seine Ängste und Anspannung über die Zeit graduell nachlassen.

Entscheidend für den Therapieerfolg ist es, dass er diese Exposition mit Reaktionsverhinderung in seinen Lebensraum überträgt, d.h. dass es sich dem mehrstündigen Unterlassen des Waschimpulses alleine zu Hause aussetzt. Mit fortschreitender Zeit werden sich so Angst und Anspannung bei Nichtnachkommen des Waschzwangs graduell immer mehr reduzieren.

  1. Zusammenfassung und Resümee

Angststörungen stellen eine der häufigsten psychischen Belastungszustände oder Erkrankungen dar. Mit einer Prävalenzrate von bis zu 30% erfährt jeder Dritte einmal im Leben eine Form einer Angststörung. Es deutet vieles drauf hin, dass die vielfältigen beruflichen und privaten Anpassungserfordernisse und die sich rapide verändernden sozialen Strukturen unserer schnelllebigen Zeit die Entstehung und Aufrechterhaltung von Angststörungen begünstigen. Die Symptome von Angststörungen sind körperlicher (vegetativer) und psychischer Natur mit den Leitsymptomen hoher Anspannung und Beklemmung.

Die wichtigsten Angsterkrankungen umfassen die generalisierte Angststörung, die Panikstörung und die Phobien; auch die Zwangsstörung ist mit Angstsymptomen verbunden.

Mit Blick auf die Ursachen sind diese – wie bei Depressionen und den meisten anderen psychogenen Belastungszuständen oder Erkrankungen – multifaktoriell und umfassen biologische, psychosoziale und auch lebensgeschichtliche Komponenten. Ein wichtiger Faktor bei fast allen Angststörungen stellt das ausgeprägte Vermeidungsverhalten dar, welches die Angststörung aufrechterhält.

Es gibt eine Reihe wirksamer psychologischer und psychotherapeutischer Behandlungsansätze, wobei sich neben psychologisch-physiologischen Entspannungsverfahren und achtsamkeitsbasierter Meditationstechniken insbesondere die kognitive Verhaltenstherapie als wirksam belastungsmindernde Behandlungsoption erwiesen hat. Die kognitive Verhaltenstherapie verhilft vielen Patienten und Patientinnen zum graduellen Abbau und letztendlich zur Durchbrechung ihres kontraproduktiven Vermeidungsverhaltens.

Damit werden Menschen, die unter einer Angststörung leiden, ein belastungsreduzierender Umgang mit ihren Ängsten und Wege zur Salutogenese eröffnet, die zu zunehmender emotionaler Stabilisierung und somit zur Wiedererlangung von Lebenszufriedenheit und Lebensqualität beitragen.

 

Angststörungen treten häufig zusammen mit einer Depression auf (Komorbidität).

Umgang mit und Therapie von Depressionen

Literatur:

In einigen wenigen Teilen basiert der Beitrag auf:

Paulitsch, K. und Karwautz, A. (2008), Grundlagen der Psychiatrie, Wien: Facultas Verlags- und Buchhandels AG.

Als verständliche und zur Angstbewältigung hilfreiche Literatur empfohlen:

Wolf, D. (2016), Ängste verstehen und überwinden, Mannheim; PAL Verlagsgesellschaft.