Stress ist ein heute fast inflationär gebrauchter und etwas nebulöser Sammelbegriff für körperliche und psychische Spannungszustände. Während ein gesundes Maß an Stress (Eustress) dem Wohlbefinden sogar zuträglich ist, trägt ein Übermaß an Stress (Distress) das Risiko körperlicher und seelischer Erkrankungen in sich – insbesondere wenn dieser chronisch wird.

Der hoffentlich spannende Beitrag stellt die körperlichen (somatischen) und psychischen (mentalen) Stressmodelle, relevante Stressfaktoren und individuelle Unterschiede in der Reaktion auf Stress vor.

Abschließend werden mit den Entspannungsverfahren des Autogenen Trainings (AT) und der Progressiven Muskelrelaxation (PMR) sowie der achtsamkeitsbasierten Meditation effiziente Methoden des Stressmanagement in praktischer Weise dargestellt. 

Inhaltübersich

1. Stress als körperliche und psychische Reaktion

1.1. Körperliches Stressmodell

1.2. Psychologisches Stresskonzept

1.3. Stress und Krankheiten

2. Stressfaktoren

2.1. Bedeutsame Lebensereignisse

2.2. Tägliche Ärgernisse

3. Individuelle Unterschiede in der Reaktion auf Stress

4. Stress-Management

4.1. Entspannungsverfahren

4.2. Meditation – Achtsamkeitsbasierte Stresreduktion

4.3. Abschließende pragmatische Empfehlungen

5. Zusammenfassung

1. Stress als körperliche und psychische Reaktion

Vereinfacht nimmt der Begriff Stress Bezug auf physische und/oder psychische Anspannung, Druck oder auch Konflikt.  Solch ein Anpassungsdruck kann durch bedeutsame Lebensänderungen und belastende Umstände ausgelöst werden.

Ein längerfristig bestehendes Übermaß an (chronischem) Stress kann zu Fehlanpassungen und Symptombeschwerden auf körperlicher, psychischer und auf der Verhaltensebene führen.

  • Somatische Ebene – mit körperlichem Unbehagen wie bspw. Magen- und Darmbeschwerden, Bluthochdruck und Spannungskopfschmerzen
  • Psychische Ebene – mit Symptomen wie bspw. Unruhe, ängstliche, agitierte und depressive Stimmung
  • Verhaltensebene – mit häufigem gesundheitsschädlichem Verhalten wie Alkoholmissbrauch und Bewegungsarmut.

1.1. Körperliches Stressmodell

Unter Stress werden hier körperliche (somatische) Anspannungszustände verstanden und es gilt der vereinfachte Mechanismus „Stress verursacht Anspannung“. Diese Anspannung wird jedoch hinsichtlich ihrer Wirkung unterschiedlich beurteilt. Seyle differenziert wischen Eustress und Distress:

  • Eustress stellt ein gesundes, motivierendes und leistungssteigerndes Maß an Stress dar
  • Distress dagegen ist eine Reaktion des Organismus eines Individuums auf Überlastung, die das physiologische Gleichgewicht (Homöostase) stört.

Während ein Wechsel zwischen normalem Stress (Spannung) und Erholung (Entspannung) gesund und angenehm ist, stellt chronischer Distress einen Risikofaktor für unsere physische und psychische Gesundheit dar. Daraus folgt dann auch die Schutzfunktion wirksamer Techniken zur Reduzierung der Stress-Reaktivität!

Was löst solche Überlastungen aus? Dies sind Reize oder Stimuli aus der Umwelt (bspw. Lärm, Überfüllung, Arbeitsüberlastung oder Zeitdruck). Solche Stimuli oder Stressoren ziehen dann körperliche und psychische Reaktion nach sich (u.a. Puls- und Blutdruckanstieg, Zittern und Schwitzen, gereizte und ängstliche Stimmung). Chronischer Stress resultiert letztlich durch eine längerfristige  Diskrepanz zwischen Anforderungen aus der Umwelt und unseren wahrgenommenen Bewältigungsstrategien (Coping Strategien) sowie unseren (externen und internen) Ressourcen.

Ein intensiver (externer oder interner) Stressfaktor führt zur Aktivierung des Sympathikus, um schnell die Energie zum Kampf oder zur Flucht (Fight-or-Flight Response) bereitzustellen.  Diese Aktivierung des Sympathikus umfasst insbesondere die folgenden physiologischen Reaktionen zur Bereitstellung der kurzfristig erforderlichen Energie:

  • Beschleunigter Herzschlag (Tachykardie)
  • Blutdruckanstieg (Hypertonie)
  • Zittern (Tremor)
  • Beklemmungs- und Engegefühl (Angstreaktion).

In unmittelbaren Gefahrensituationen ist die dargestellte „Fight or Flight“ Reaktion eine lebenserhaltende Schutz- oder Abwehrreaktion. Die Wirkung der ausgeschütteten Stresshormone und Neurotransmitter (insb. Kortisol, Adrenalin und Noradrenalin) sind kurzfristiger Natur. Diese Stressreaktion war vor Jahrhunderten oft überlebenswichtig; spielt in modernen Gesellschaften jedoch kaum noch eine Rolle – wir begegnen in Österreich selten Löwen, die uns angreifen… Heute stellt (nicht abgebauter) chronischer Stress durch tägliche und sich in ihrer Wirkung oft kumulierende Stressfaktoren ein potenzielles gesundheitliches Risiko dar: Erhöhung von Stresshormonen (insbesondere Kortikosteroide). Relevante Stressfaktoren oder Stressoren sind unter 2. dargestellt.

1.2. Psychologisches Stresskonzept

Nach dem Transaktionsmodell von Lazarus und Folkman (1984) entsteht Stress aus der  Wechselwirkung  zwischen Umwelt und dem Individuum. Danach wird Stress erzeugt durch eine Diskrepanz zwischen Ansprüchen aus der Umwelt und unserer wahrgenommen Fähigkeit, diese zu bewältigen (Bewältigungs- oder Coping Strategien) sowie den uns verfügbaren Ressourcen.

Solche fordernde Umweltansprüche können von Situationen (bspw. „nicht aufgelöster“ Streit) oder bedeutsamen Lebensereignissen (bspw. Scheidung) ausgehen. Darüber hinaus existieren auch Ansprüche interner Natur als potenzielle Stressoren – z.B.  psychische Konflikte, Ambivalenzen und Perfektionismus. Von zentraler Bedeutung ist die Bewertung des jeweiligen Ereignisses;  bspw. kann eine Scheidung auch eine Erleichterung darstellen.

Das Ausmaß, zu dem eine Situation oder ein Ereignis als stressvoll erlebt wird, hängst somit entscheidend von unserer Bewertung Der Implikationen der Situation oder des Ereignisses ab – diese können harmlos (neutral), herausfordernd oder (potenziell) bedrohlich sein.

Dies sei an folgendem Beispiel aus dem Berufsleben erläutert. Wir haben die rechtswirksame Kündigung unseres bestehenden Arbeitsverhältnisses erhalten:

  • wir werden dies als harmlos bewerten, wenn wir bereits konkrete Aussicht einen neuen Job in einem anderen Unternehmen haben;
  • wir werden die Kündigung lediglich als Herausforderung bewerten, wenn wir gedanklich bereits eine neue Job-Vision und die Zuversicht auf Bewerbungserfolg haben;
  • als bedrohlich werden wir die Kündigung bewerten, wenn diese ohne baldige Aussicht auf einen neuen Job erfolgt und wir gleichzeitig keine finanziellen Rücklagen (mangelnde externe Ressourcen) haben.

Wie können wir eine potenziell bedrohliche Bewertung eines Ereignisses oder einer Situation günstig und damit stressmindernd beeinflussen? Zunächst sollten wir im Rahmen der primären Bewertung nach Evidenz suchen: Handelt es sich überhaupt um eine Bedrohung? Im Falle einer Bedrohung versuchen wir, im Rahmen der sekundären Bewertung mögliche externe Ressourcen zu eruieren – materielle Art und/oder emotionaler Art in Form von sozialer Unterstützung.

1.3. Stress und Krankheiten

Es wird allgemein angenommen, dass ein Zusammenhang zwischen chronischem Stress und Krankheiten besteht – aber dieser Zusammenhang ist wissenschaftlich nicht einfach nachweisbar.

Das Risiko für u. a. folgende Krankheiten wird jedoch durch chronischen (und nicht abgebauten) Stress erhöht:

  • Herz- und Kreislaufbeschwerden (kardiovaskuläre Erkrankungen)
  • Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts (gastrointestinale Erkrankungen)
  • Infektionskrankheiten (durch Schwächung des Immunsystems)
  • Psychische Erkrankungen, insbesondere Angsterkrankungen und Depressionen.

2. Stressfaktoren

Es existiert eine Vielzahl von potenziell stressinduzierenden Faktoren, auch „Stressoren“ genannt. Sog. „Live Events“, d.h. bedeutsame Lebensereignisse, stellen die wichtigsten Quellen von Stress dar. Wegen der erforderlichen Anpassung gilt dies nicht nur für negative sondern auch für positive Lebensereignisse. Wichtige Beispiele sind: Verlust von Angehörigen, Scheidung, Job-Wechsel, Umzug (insbesondere bei Ortswechsel) und Heirat.

Als weitere Stressoren kommen aktuelle Krisen und Beziehungsschwierigkeiten sowie wirtschaftliche Probleme in Betracht.

Von großer Bedeutung sind in der sich heute schnell verändernden Arbeitswelt auch arbeitsbezogene Probleme (Überlastung, wenig Kontrolle, zu wenig oder zu viel Information sowie interpersonelle Konflikte am Arbeitsplatz).

Weitere Stressfaktoren bilden körperliche und psychische Erkrankungen, wobei Wechselwirkungen in jeweils beide Richtungen bestehen. Das bedeutet, dass (vor allem chronische) körperliche Erkrankungen psychische Beschwerden wie insbesondere Depressionen und Angstzustände nach sich ziehen können und manifestierte psychische Störungen zu körperlichen Erkrankungen führen können.

Letztlich repräsentieren aber auch tägliche Ärgernisse (daily hassles) bedeutsame Stressoren; als Bespiele sind Zeitdruck, Warten und tägliches Pendeln zum weit entfernten Arbeitsplatz zu nennen.

3, Individuelle Unterschiede in der Reaktion auf Stress

Es gibt zwei extreme Persönlichkeitstypen, wobei der Typ-A anfällig gegenüber Stress ist und der Typ-B relaxter und damit weniger stressanfällig ist. Entwickelt wurde diese Persönlichkeitstheorie von den amerikanischen Kardiologen Friedman und Rosenman bereits in 1959 mit überzeugender empirischer Evidenz. Sie konnten zeigen, dass Typ-A Persönlichkeiten ein vergleichsweise höheres kardiovaskuläres Risiko tragen. Die nachfolgende Tabelle kontrastiert beide Persönlichkeitstypen anhand von relevanten Persönlichkeitsmerkmalen.

Kriteriun Typ A Typ B
Leistungsmotivation & Ambition hoch niedrig
Ungeduld und Getriebenheit hoch niedrig
Tendenz zu Reizbarkeit und Ärger hoch niedrig
Tendenz zu zwischenmenschlicher Verträglichkeit niedrig hoch

Zu beachten ist, dass dies „Idealtypen“ repräsentiert und Kombinationen verbreitet sind. Unsere Leistungsgesellschaft fördert Typ-A Verhalten, wobei niedrige Verträglichkeit oder gar „Feindseligkeit“ den größten Risikofaktor darstellt.

4. Stress-Management

Die gute Nachricht ist, dass wir dem Stress – im Sinne von Distress – und dessen potenziell gesundheitsschädlichen Wirkungen durch wirkungsvolles Stress-Management etwas entgegensetzen können. Die wichtigsten Methoden werden nachfolgend skizziert.

Auf die medikamentöse Behandlung wird nicht eingegangen. Diese umfasst insbesondere Benzodiazepine (Tranquilizer), welche allenfalls zur kurzfristigen Krisenintervention empfohlen werden können. Benzodiazepine haben ein hohes Suchtpotenzial – bei  mehr als vierwöchiger Anwendung besteht bereits das Risiko einer körperlichen und psychischen Abhängigkeit!

Die Darstellung wirkungsvoller und spezieller klinisch-psychologischer Techniken – wie der Kognitiven Umstrukturierung und des Stress-Inokulations-Trainings – würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen.

 4.1. Entspannungsverfahren

Entspannungsverfahren sind relativ leicht erlernbar sind und können dann im Alltag selbständig bei den ersten Anzeichen von Stress, Anspannung und Angst zur schnellen Entspannung angewandt werden. Die längerfristige und regelmäßige Anwendung der Entspannungs- und/oder Meditationstechniken bringt gesundheitsfördernde physiologische und psychische Effekte mit sich, die insbesondere den Umgang mit Stress und Stressoren erleichtern. Die physiologischen Effekte umfassen eine Aktivierung des Parasympathikus: Verlangsamung und Gleichmäßigkeit der Atmung, Verminderung der Herzschlagfrequenz und des arteriellen Blutdrucks sowie Tonus Minderung der Skelettmuskulatur. Als psychische Wirkungen sind Steigerung der Gelassenheit und Stimmung zu nennen.

Autogenes Training (AT)

Die Entspannungstechnik des AT basiert auf Autosuggestionen und imaginärer Vorstellungskraft. Zu Beginn ist es sinnvoll, sich die Anleitungen von kompetenten Psychologen vermitteln zu lassen und diese dann schrittweise zu verinnerlichen, so dass man nach einiger Zeit die Übungen eigenständig – zur selbstgenerierten Entspannung – durchführen kann. Zur Veranschaulichung dient die folgende exemplarische und vereinfachte AT-Übung.

Vereinfachte AT-Übung

  • Suchen Sie sich bitte nun eine ganz bequeme Sitzposition, lehnen Sie sich ganz entspannt in ihrem Sessel zurück und lassen Sie ihre Arme locker ruhen. Wenn Sie möchten, schließen Sie nun bitte ihre Augen.
  • Atmen Sie ruhig und tief – ein und aus – lassen Sie den Atem fließen. Genießen Sie die Entspannung – lassen sie Gedanken einfach kommen und gehen.
  • Ich bin ganz ruhig, gelöst und entspannt. Meine Schultern, Arme und Hände sind schwer.
  • Ich bin ganz ruhig und entspannt. Meine Arme und Beine sind ganz schwer.
  • Ich bin ganz ruhig und entspannt. Meine Arme und Beine sind angenehm warm.
  • Ich bin ganz ruhig und entspannt und mein Atem fließt gleichmäßig.
  • Ich bin ganz ruhig und entspannt. Meine Stirn ist ganz glatt und angenehm kühl.
  • Spüren Sie der Entspannung noch ein wenig nach
  • Rücknahme: Ich werde nun zurückzähen und bei „1“ öffnen Sie bitte die Augen, sind wieder ganz „wach“, räkeln und strecken sich.

Progressive Muskelrelaxation (PMR)

Die PMR nach Jacobson basiert auf der kurzzeitigen Anspannung (für ca. 5 Sekunden) und dem schnellem Loslassen einzelner Muskelgruppen. Das Entspannungsgefühl wird somit dadurch erreicht, dass nacheinander verschiedene Muskelgruppen sehr kurz angespannt und dann längere Zeit locker gelassen werden. Entscheidend ist, dass wir dabei den Unterschied zwischen Anspannung und Entspannung (Relaxation) beobachten und ihm nachspüren.

Zur Veranschaulichung dient die folgende exemplarische und verkürzte PMR-Übung, wobei Sie nach jeder einzelnen Anspannungs-Lösungs-Übung etwa 10 Sekunden Pause einlegen sollten.

Verkürzte PMR-Übung

  • Suchen Sie sich bitte nun eine ganz bequeme Sitzposition, lehnen Sie sich ganz entspannt in ihrem Sessel zurück und lassen Sie ihre Arme locker ruhen.
  • Wenn Sie möchten, schließen Sie nun bitte ihre Augen.
  • Spannen Sie Ihre Stirn an und heben Sie die Augenbrauen so weit wie möglich. Halten Sie diese fünf Sekunden und lassen Sie dann los. Spüren Sie, wie die Spannung weicht.
  • Lächeln Sie nun breit und spüren Sie wie sich Ihr Mund und Ihre Wangen anspannen. Halten Sie für fünf Sekunden, lösen Sie dann und spüren Sie die Gelöstheit Ihres Gesichtes.
  • Legen Sie nun sanft Ihren Kopf in den Nacken, als wenn Sie zur Decke blicken wollte. Halten Sie diese Position für einige Sekunden. Lassen Sie dann los, bringen Sie den Kopf zurück und fühlen Sie wie das Gewicht Ihres entspannten Kopfes und Nackens sinkt.
  • Ballen und spannen Sie nun Ihre Fäuste an und halten Sie die Position für fünf Sekunden. Lassen sie dann abrupt los uns spüren Sie die angenehme Erschlaffung.
  • Spanen Sie jetzt Ihren Bizeps an und fühlen Sie den Aufbau der Spannung. Halten Sie noch ein wenig und lassen dann los.
  • Gehen Sie am Ende nochmals Sie die gespannten und entspannten Muskelgruppen durch, beobachten und spüren Sie Entspannung ein wenig nach…

4.2. Meditation – Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion

Meditation und insbesondere die achtsamkeitsbasierte Meditation bedarf mehr Zeit und intensiverer Übung als die Entspannungsverfahren, um erlernt zu werden. Das Konzept und die Praxis der in den 1990er Jahren von Kabat-Zinn entwickelten Achtsamkeit (Mindfulness) bedeutet, dass wir uns bewusst eine Auszeit vom hektischen Alltag nehmen können, indem wir uns ganz auf den Moment fokussieren – und diesen völlig wertfrei wahrnehmen. Dabei hat diese neugierig-wertfreie Wahrnehmung eine befreiende und entspannende Wirkung – sie steht im Gegensatz zu den sonst oft omnipräsenten Bewertungsprozessen unseres inneren Dialoges.

Achtsamkeit stellt somit eine spezifische Form der Aufmerksamkeit dar – diese geschieht (1) absichtsvoll, (2) auf den gegenwärtigen Moment gerichtet, (3) mit Offenheit und Neugierde sowie (4) ohne Bewertung.

Im Rahmen der achtsamkeitsbasierten Stressreduktion werden Achtsamkeitsübungen mit der Meditation verbunden. Es existieren strukturierte achtsamkeitsbasierte Meditationsübungen wie die Sitz- und Atemmediation und der Body Scan.

Achtsamkeitsübungen können allerdings auch im Rahmen ganz gewöhnlicher Alltagübungen durchgeführt werden, wie etwa beim achtsamen Betrachten einer Landschaft und beim achtsamen Spaziergang. Für diejenigen, die Achtsamkeit wirkungsvoll praktizieren, ist es mehr als eine Technik – es ist eine innere Haltung, die häufig zu einem Mehr an adaptiver Selbstkontrolle, emotionaler Selbstregulation, Ausgeglichenheit und Gelassenheit führt.

Zur Veranschaulichung dient die folgende Übung zur Sitz- und Atemmeditation (modifiziert nach B. Lohman & S. Annis (2013), Achtsamkeit in der Verhaltenstherapie – Interventionen und praktische Übungen, Köln, Deutscher Ärzteverlag, S. 28).

Übung zur Sitz- und Atemmeditation

Bitte setzen Sie sich auf den vorderen Teil des Sessels, lehnen Sie dabei den Rücken nicht an. Versuchen Sie, eine entspannte und aufrechte Haltung einzunehmen. Stellen Sie beide Füße vor sich auf den Boden und lassen Sie Ihre Hände entspannt auf den Oberschenkeln ruhen. Falls Sie mögen, schließen Sie die Augen – sonst lassen Sie sie geöffnet und schauen vor sich hin.

 Gehen Sie Ihren Körper einmal im Geist durch und achten Sie darauf, ob es Körperregionen gibt, die besonders angespannt sind und solche, die gelöst, locker und entspannt sind. Fühlen und spüren Sie den Kopf, Hals, die Brust, den Rücken, beide Ober- und Unterarme, Ober- und Unterbauch, die Oberschenkel, Unterschenkel, Waden und die Füße. Spüren Sie nach, welche Regionen gelöst sind. Gedanken kommen und gehen – lasen Sie sie einfach vorbeiziehen      (2 Minuten Pause).

 Nehmen Sie nun Ihre Atmung wahr, ohne sie beeinflussen zu wollen. Ist sie flach, dann ist sie eben in diesem Moment flach – ist sie kurz, dann ist sie eben in diesem Moment kurz. Vielleicht ist sie aber auch entspannt und gleichmäßig. Ihr Atmen darf jetzt einfach so sein wie er ist. (2 Minuten Pause)

 Bleiben Sie einfach so sitzen und betrachten Sie ihren Atem. Richten Sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Wahrnehmung dieses Moments, ohne ihn zu bewerten. Wenn Ihre Gedanken wegwandern, dann nehmen sie es einfach wahr und kehren wieder zu Ihrer Atmung zurück. Das ist ganz normal – Gedanken kommen und gehen – lassen Sie sie vorbeiziehen, so wie auch Wolken vorbeiziehen. Sie können immer wieder zu ihrer Atmung zurückkommen.

 Seien Sie freundlich zu sich und konzentrieren Sie sich immer wieder auf ihren Atem. Nehmen Sie nur diesen Augenblick wahr – zu allem anderen können sie später zurück-kommen. (2 Min. Pause)

 Bleiben Sie noch ein wenig konzentriert und erlauben Sie sich, ganz im Moment und bei Ihrem Atem zu sein. (2 Min. Pause)

 Nun bereiten Sie sich auf das Ende der Meditation vor und kommen Sie mit Ihrem Bewusstsein wieder in diesen Raum.

Ich werde nun zurückzähen und bei „1“ öffnen Sie bitte die Augen, sind wieder ganz „wach“, räkeln und strecken sich. 5-4-3-2-1.

4.5. Abschließende pragmatische Empfehlungen

Die abschließenden ganz praktischen Tipps zum besseren Umgang mit und zum Abbau von Stress gehören zum Allgemeingut – dennoch ist deren Wirksamkeit evidenz-basiert:

  • Work-Life-Balance: Versuchen Sie einen Ausgleich zwischen Beruf und Privatleben zu schaffen.
  • Schlaf: Ausreichender Schlaf – individuellen Unterschieden zum Trotz mit einer Faustregel von 7-8 Stunden – dient der physischen und psychischen Regeneration.
  • Alkohol: Sollte in Moderation genossen werden. Alkohol entspannt nur kurzfristig und ist nicht zur stressabbauenden und angstlösenden (Selbst-)Medikation geeignet. Über Dauer führt ein Übermaß an Alkoholkonsum nicht nur zu gesteigerten Ängsten sondern auch zu erhöhter Depressionsanfälligkeit!
  • Bewegung und Sport: Moderater Sport hat positive kardiovaskuläre Effekte, wirkt stimmungsaufhellend (via verbesserter Serotonin-Produktion und Verfügbarkeit sowie erhöhter Ausschüttung von Endorphinen).
  • Sozialkontakte und soziale Unterstützung: Gute soziale Unterstützung (durch Partner, Familie, Freunde) stellt einen Schutzfaktor gegen hohe Stress-Reaktivität und die Folgewirkungen von Stress dar.

5. Zusammenfassung

  • Stress kann vereinfacht als Anspannung oder Druck definiert werden.
  • Aus psychologischer Sicht wird Stress (Spannung, Druck oder Konflikt) bedingt durch die Diskrepanz zwischen Anforderungen auf der einen Seite und Stressbewältigungsstrategien sowie Ressourcen auf der anderen Seite.
  • Es gibt zahlreiche Quellen von chronischem Stress, wie bspw. “tägliche Ärgernisse”, nicht gelöste Konflikte oder lang anhaltende Krisen.
  • Chronischer Stress scheint in der Entwicklung zahlreicher (physischer und psychischer) Erkrankungen eine Rolle zu spielen, obwohl der Nachweis der Ursächlichkeit (Kausalität) nicht einfach zu erbringen ist, da “Stress” nur einen Faktor unter vielen darstellt.
  • Es existiert eine Vielzahl von Stress-Management Techniken: Autogenes Training, Progressive Muskelrelaxation und achtsamkeitsbasierte Meditation. Mit Training führen diese zu deutlich verbessertem Umgang mit Stress und Minderung der Stress-Reaktivität.

 

Dr. Nils Beer

Klinischer- und Gesundheitspsychologe

1020 Wien

www.nilsbeer.at

Juli, 2017